Wer bin ich? Das ist eine Frage, die eigentlich nur jeder für sich selbst beantworten kann. In keinem Buch, in keiner wissenschaftlichen Studie und in keiner religiösen Schrift werden wir perfekt zugeschnittene Antworten auf diese subjektive Frage finden. Dennoch existieren viele Wege und Möglichkeiten herauszufinden, wer wir wirklich sind.
Demzufolge darf sich jeder persönlich auf die Suche nach Selbsterkenntnis begeben, falls die Sehnsucht des eigenen Selbst nach Expansion groß genug geworden ist und genügend Druck aufgebaut hat.
Die erste Frage, die sich stellt, ist: Möchte ich mich wirklich mit all meinen Facetten kennenlernen?
Die meisten Menschen beantworten diese Frage ohne lange zu überlegen mit „ja“. Sobald es aber darum geht, die eigenen Verhaltens- und Gedankenmuster in Frage zu stellen, erscheinen die ersten Zweifel.
In keiner Wissenschaft, ob es die Psychologie, die Philosophie, die Physik oder die Medizin ist, wird der Mensch ausschließlich als sein Körper betrachtet. Wenn wir somit davon ausgehen, dass wir mehr als unser Körper sind, gibt es den ersten kleinen gemeinsamen Nenner.
Abgesehen von dieser Gemeinsamkeit existieren genauso viele Theorien darüber wer wir sind, wie es Wissenschaften und Glaubensrichtungen gibt. Am Ende dieser Überlegungen steht oft, dass wir einfach absolut keine Ahnung haben.
So weit so gut. Jeder kennt diese subtile Sehnsucht nach Gott, Selbsterkenntnis, oder dem Unbekannten in uns. Rein biologisch bestehen wir weitestgehend aus Zellen und DNA, physikalisch gesehen sind wir nahezu leerer Raum und spirituell betrachtet sind wir Lichtwesen. All dies sind Kategorisierungen, die auch durchaus richtig zu sein scheinen. Trotzdem bleibt der Nachgeschmack der Ahnungslosigkeit.
Zahlreiche Menschen spüren diese Leere so stark in sich, fühlen sich so verloren und haltlos, dass sie depressiv werden. Viele Mediziner schieben das Problem auf die Biochemie des Gehirns. Die meisten Psychologen finden studiengetreu Persönlichkeitsstörungen, die mit der Vergangenheit und den Prädestinierungen der jeweiligen Personen zu tun haben sollen. Vielleicht gibt es aber darüber hinaus noch eine dritte Möglichkeit, die wie es scheint sich lohnt zu betrachten. Selbsterkenntnis, ein nicht wirklich ausreichender Begriff, könnte mehr Licht in diesen dunklen, unbekannten Raum bringen.
In den ersten Monaten und Jahren des Lebens sind Kinder ohne primäre Bezugspersonen verloren. Sie müssen ihnen blindlings vertrauen. Sie geben den Sprösslingen, was sie so dringend benötigen: einen Spiegel. Einen Spiegel zur Orientierung. In den Momenten, in denen die Kinder von dem Gegenüber emotional wahrgenommen werden, haben sie die Gelegenheit, die Voraussetzung, sich als existent zu erfahren. Dies geschieht durch die Anwesenheit der sich ihnen Zuwendenden, in ihren emotionalen Reaktionen, in dem, was sie sagen, wie die Kinder durch sie berührt werden und schon bald, wie sie ihnen die Welt erklären. Die jungen Erdenbewohner sehen emotionale Reaktionen in ihren Mitmenschen, folglich müssen sie selbst zwangsläufig vorhanden sein. Diese Rückmeldung ist essentiell für Kinder.
Das bedeutet aber auch, dass sich die Kinder scheinbar vorerst als nahezu Nichts wahrnehmen, wenn niemand im Außen auf sie gefühlsmäßig reagiert. Wenn sie von sich glauben, dass sie nichtexistent sind, sind sie es recht schnell in dieser physikalischen Welt. Diesen Gedanken können wir noch weiter verfolgen. Je mehr die Außenwelt die jungen Menschen mit wohlwollenden Emotionen, Aufmerksamkeit, Zuwendung und Liebe beschenkt, desto mehr können sie sich selbst wahrnehmen, fühlen und lieben.
Durch Nicht-Beachtung entsteht Einsamkeit, ein Gefühl des Verloren-Seins. Wenn sie in der äußeren Welt nicht widerspiegelt werden, entsteht eine Diskrepanz zwischen Sein und Nicht-Sein. Dieser Zustand kann Depressionen, Traurigkeit und Leid verursachen. Menschen sind also zunächst das, was ihre Gegenüber in ihnen sehen. Jeder hat ein bestimmtes Bild von sich, mit dem er sich identifiziert. Wir sind zunächst eine Ansammlung von Identifikationen, die durch die Eltern, die Gesellschaft und durch die eigenen persönlichen Erfahrungen zustande kommt.
Kinder haben keine Möglichkeit, sich für oder gegen diese Einflüsse zu entscheiden. Aber jeder einzelne von uns besitzt jetzt, genau in diesem Augenblick, die Fähigkeit, in jedem Moment seines Lebens, sich gegen eine angenommene Gedankenstruktur über sich selbst und die Welt zu entscheiden, wenn diese nicht mehr dienlich sein sollte.
Vielleicht sollten wir aber, bevor wir uns mit der Auseinandersetzung „wer wir sind“ befassen, jeder für sich selbst klären, für welche Eigenschaften, Verhaltens- und Glaubensmuster er sich bewusst oder unbewusst entschieden hat.
Die nächste Frage ist dementsprechend: Was glaube ich, wer ich bin?
Diese Frage bedarf unserer nach Innen gerichteten Aufmerksamkeit. Kinder lieben vorerst bedingungslos, bis ihnen beigebracht wird, oder bis sie erfahren, dass auch Liebe an Bedingungen geknüpft sein kann. Sie werden verglichen und auf dem Weg der Anpassung verlieren sie ihre Einzigartigkeit. Sie erfahren die menschlichen Werte in Bezug auf Leistung, Erfolg und Materialismus und wenig durch Mitgefühl, Selbstliebe und Freude am Sein. So entsteht nach und nach ein Selbstbild, welches durch die Moral- und Wertvorstellungen der Eltern, der Gesellschaft und durch die eigenen Erfahrungen in Bezug auf diese beiden Instanzen eingefärbt wurde.
Alles, was wir erleben, hat vollkommen seinen Sinn und Zweck. Die primären Bezugspersonen sind die ersten und wichtigsten Mentoren im Leben eines Menschen. Falls bei diesen ersten Lehrern die Bereitschaft vorhanden ist, die Werte und Botschaften, die sie selbst empfangen haben, vor dem Weitergeben in Frage zu stellen, erhalten die Kinder die Möglichkeit, sehr viel zu lernen. Diese anfänglichen Lehrmeister können aber auch auf dem Weg zum Selbstverständnis ebenso zu den größten Hürden werden, wenn ihre Ansichten über uns und die Welt zu unserer Wahrheit werden.
Aus einer Art Überlebensstrategie heraus müssen wir uns zwangsläufig vorübergehend an den Existenz- und Wirklichkeits-Erklärenden orientieren. Wir brauchen deren Benennungen, Kategorisierungen und Labels. Aber wäre es im weiteren Verlauf des Lebens möglich, die Welt und uns ohne Benennungen, ohne Identifizierungen zu sehen?
Also, könnten wir einen Baum ins Auge fassen, ohne die Kategorisierungen, die wir in jungen Jahren von denen übernommen haben, die uns die Welt der Objekte erklärten? Spezies, Gattung, Größe, Alter, Nutzbarkeit und vieles mehr. Könnte es uns gelingen, all diese Einordnungsmerkmale beiseite zu schieben, oder durch sie hindurch zu schauen? Das dürfte allen vorerst schwerfallen. Menschen sind darauf trainiert, alles in Schubladen zu stecken. Da ist der Baum – hier bin ich. Das ist ein hilfreicher Anhaltspunkt in einer Welt der augenscheinlichen Dualität, die beispielweise eine Zweiheit von Gut und Böse, oder eine Trennung von wünschens- und bekämpfenswert vermittelt.
Die Distanz zwischen dem Betrachter und den Objekten, Personen, Ereignissen und Situationen hat eine durchaus nützliche Funktion. Sie besagt letzten Endes gleichermaßen, dass wir sind. Existent in einer physikalischen Welt der Objekte. Wenn der vermeintliche Beobachter die Dinge um sich herum als isoliert von sich wahrnimmt, diese als Nicht-Selbst versteht, ist er in der Lage, sich von Allem-Was-Ist abzugrenzen. Er kann sich zentrieren, komprimieren und sich als eine eigenständige Entität in einer von sich getrennten Welt kennenlernen. Um sich als eigenständiges Individuum zu erfahren muss der Beobachter zunächst glauben, er sei getrennt von Allem.
Während der darauffolgenden Kapitel des Lebens nehmen die Menschen weitere Glaubenssätze an. Sie identifizieren sich mit einem Namen, einem Geschlecht, einer Hautfarbe, einer Nationalität und vielem mehr.
All diese Identitäten dienen abermals zur Fokussierung und zum Schutz. Die Akteure auf der Bühne des Lebens können die Charaktere leben und anhand der Rollen spüren, wie es ist, eine solche Facette von sich zu sein.
Haben wir eine neue Idee angenommen, wer wir vermeintlich sind, können wir sowohl im Innen als auch im Außen ablesen, welche die Möglichkeiten der weiteren Entfaltung hin zu neuen Entwicklungsstufen sind. Wir können den ursprünglichen Plan, uns dahin zu entwickeln wer wir wirklich sind oder sein möchten, über eine Art an Navigationssystem sehen und erfühlen. Dies wird zu einer freien Entscheidungsmöglichkeit sobald wenn wir in der Lage sind, die Einfärbungen von Gesellschaft und primären Bezugspersonen zu erkennen, zu verstehen und loszulassen.
In der Außenwelt hält jeder Moment des Lebens unendlich viele Hinweise auf unseren „Plan des Erfahrens“ parat. Sie sind jedoch nicht so leicht zu entdecken. Dazu müssen wir aufmerksam und bewusst im Jetzt, in der Gegenwart sein. Sind wir mit den Gedanken in der Zukunft oder in der Vergangenheit können wir die vielgestaltigen Wegweiser übersehen. Sind wir jedoch bewusst in dem ewigen Moment, dem einzigen Augenblick, vermögen wir schrittweise die Enthüllungen zu bemerken und zu nutzen. Auch hier haben wir die Wahl. Wir können sie ignorieren und trotz des Verstehens ihrer Botschaften in der gegenwärtigen Identität verharren. Wir haben aber ebenso die Freiheit, weiter auf dem Weg zu „höheren“ Versionen von uns zu schreiten.
Die Mitteilungen können durch Aussagen anderer Menschen, durch Empfehlungen, die wir anderen geben, durch Krankheiten, durch einen plötzlichen Sonnenstrahl in unser Gesicht aus einer zuvor verschlossenen Wolkendecke, durch immer wiederkehrende Lebensumstände und vielem mehr erfolgen. Sind wir eventuell in einem aktuellen Lebensstadium nicht glücklich, können wir es wagen, diese äußeren Erfahrungsmuster zu nutzen und zu neuen Ufern aufzubrechen.
In uns selbst existiert ein zweites Navigationssystem. Die Kompassnadel schlägt immer dann aus, wenn wir eine Freude empfinden. In dem Moment des Glücksgefühls weist der Kompass auf eine persönliche Entwicklung hin, auf eine neue weitere mögliche Identität. Es können kleine aber auch riesige Freuden sein. Jedes Mal, wenn wir sie bemerken, können wir sicher sein, dass sie auf eine neue Chance zum Glücklichsein deuten. Denn der Enthusiasmus ist bereits Anteil der neuen Welt, die wir bereisen können. Ein Vorgeschmack dessen, was uns dort erwartet. Mit jedem Gefühl der Begeisterung schreit unsere einzigartige Essenz: „Das bin ich!“
Die Entscheidung des Weiterziehens, muss keine drastische sein. Wir können das eine tun und das andere nicht lassen. Damit ist gemeint, dass wir nicht ohne Fallschirm über die Klippe springen müssen. Wir können auch weiterhin in der alten Identifizierung leben und parallel dazu einen Weg aufbauen, der mehr Begeisterung bereithält.
Identifizierungen sind nützlich, um sich selbst immer besser im Prozess der Selbstfindung kennenzulernen. Jede Identität, die durchlebt wird, hält bestimmte Erfahrungen bereit, die uns dabei unterstützen, die nächste Wahrnehmungsebene zu erreichen. So steigen wir Schritt für Schritt eine unsichtbare Spirale empor, die uns immer wieder zu den gleichen oder ähnlichen Personen, Objekten, Ereignissen und Situationen bringt. Aber der Unterschied einer Spirale im Vergleich zu einem Kreis ist, dass wir in der Spirale stets die Perspektive auf die Außen- und Innenwelt verändern und tiefere Wahrheiten erkennen können. In einem Kreis bleibt immer alles gleich. Ebenfalls die Perspektive.
Viele Menschen entscheiden sich jedoch, in Kreisen zu leben. Sie wählen die Kreise der scheinbaren Sicherheit. Dies tun sie, weil die alten Identitäten ein vermeintliches Sich-Auskennen versprechen. Jedoch selbst im Scheitern vermögen wir uns auszukennen. Die Identitäten der Sicherheit haben die unterschiedlichsten Ausprägungen und Verkleidungen. Sie dienen bei vielen Menschen der obersten Priorität des Festhaltens an dem Althergebrachten. Sie sind Symbole des Nicht-Vertrauens in das Leben und sind somit ebenso ein Sinnbild des Nicht-Selbst-Vertrauens. Anhand der eingetretenen Pfade schützen sich die Menschen vor Wachstum und Veränderung. Wir könnten auch sagen, sie leisten temporären Widerstand gegen die eigene Entwicklung.
Sie verfügen gegebenenfalls nicht über die Kraft, sich in das Umgestaltung verheißende, aus der Wohlfühlzone herausführende Unbekannte, welches das Emporsteigen einer Spirale mit sich bringt, zu begeben. Infolgedessen verweilen viele in ihren angenommenen Facetten, die sie zu sein scheinen, um eben die Wohlfühlzone nicht zu verlassen. In einem Universum, wo sich stets alles verändert, wo alles fließt, ist diese vermeintliche Sicherheit trügerisch. Die Angst vor der Erkenntnis, was oder wer unser wahres Ich ist, hält dennoch viele Menschen ab, mehr ihr Inneres zu erforschen.
„Der Gipfel des Wahnsinns ist es, auf Veränderungen zu hoffen, ohne etwas zu verändern.“
Albert Einstein
Der Wachstumsprozess ist vergleichbar mit den Schalen einer Zwiebel. Je weiter sich die Menschen in ihrem Leben entwickeln, desto mehr Schalen werden sie durchwandern. Jede davon wird seine eigenen vorübergehenden Identitäten aufweisen. Hierbei haben wir die Wahl, ob wir wachsen wollen, oder nicht. Wir können an dem festhalten, was wir glauben, wer wir sind. Das können wir bis zum Erbrechen, bis zum Tod tun. Daran ist nichts Verwerfliches. Jeder darf sich dazu entscheiden, wie er sich, oder als was er sich erfahren möchte. Dennoch kann so eine alte Hülle verdammt eng und unangenehm werden. Ein Kreis in der Dauerschleife kann einen zermürben, depressiv machen, ja töten. Aber diese Wahl ist ebenso legitim. Es ist ja schließlich unser Leben.
Je unangenehmer die alten Ideen von uns werden, desto schwieriger und holpriger wird das Leben. Manche Menschen entschließen sich erst im letzten Moment, im Zustand des größten Schmerzes, sich zu vertrauen und die alten Muster und Glaubensätze zu verlassen. Die Entscheidung liegt bei uns. Sie verlassen also den alten Glauben, wer sie sind und beginnen ihre Reise zu neuen Ufern.
„(…) Hier gibt es für einen besinnlichen Menschen nur zwei Arten der Einstellung zwischen denen er wählen kann: Entweder Angst und feindseliger Widerstand, oder Ehrfurcht und vertrauensvolle Hingabe. (…)“
Max Planck
Treffen wir die Entscheidung, den eingetretenen Wegen Lebewohl zu sagen, öffnen sich mit jedem weiteren Schritt, auf dem zuvor unbekannten Terrain, neue Türen und nie geahnte Lösungen erscheinen. Der Mut wird belohnt. Wir erarbeiten tiefere Wahrheiten, ungewohnte Perspektiven auf altbekannte Menschen, Orte und Ereignisse. Dadurch vermögen wir, neue Facetten von uns zu finden und zu leben. Wir müssen sie aber nicht unbedingt akzeptieren. Wir haben auch die Entscheidungsfreiheit, wenn das Vertrauen in uns ausreicht und die Hingabe zum Leben weiterhin präsent bleibt, die neu erscheinenden Ideen von dem, wer wir sein könnten, nicht anzunehmen. Wir können immer tiefer in diesen Kaninchenbau vordringen.
Je weiter wir diesen spiralförmigen Weg durchwandern, je mehr wir wieder neue identitätsstiftende Muster, Begrenzungen, Glaubenssätze loslassen und immer weiter voller Vertrauen dem Leben und uns selbst hingeben, desto mehr erfahren wir wer wir sind. Wir erfahren die Welt der Objekte zunehmend als Wegweiser zu Neuem und Unbekannten.
Verstehen wir das Außen als eine Art Spiegelhalle, in der wir mit all den Limitierungen und Glaubenssätzen von dem was wir glauben, wer wir sind, reflektiert werden, wollen wir allmählich weniger in bestimmten Identifizierungen verweilen.
Wir kreieren somit die Welt und die Realität, die wir vor den Augen wahrnehmen, durch unser Verständnis. Dieses wiederum wird durch den Glauben bestimmt, wer wir sind und was das Leben ist. Alles was wir erleben, erfahren, alles was wir in anderen Personen sehen, welche Personen wir kennenlernen und in welche Situationen wir geraten ist eine Reflektion von uns selbst. Wir sind also viel mächtiger als wir zuvor dachten und glaubten.
Nun verspüren wir den unbändigen Drang, uns weiter zu erfahren, eine Ebene nach der anderen zu erobern. Wir nehmen den Geruch von Freiheit wahr. Wir erahnen zusehends klarer das Unglaubliche, das verstandesmäßig nicht Erfassbare. Wir erahnen etwas Schockierendes. Etwas, was Nils Bohr in einem seiner bekanntesten Zitaten impliziert erfühlen lässt:
„Wenn die Quantenmechanik Sie nicht zutiefst geschockt hat, haben Sie sie noch nicht verstanden.“
Niels Bohr
Wir verstehen aus dem Herzen heraus, was für den Verstand unerklärlich und zweifelsohne nicht wahr sein kann. Das Herz erkennt schließlich voller Dankbarkeit und Demuth, was Max Planck, einer der Väter der Quantenphysik, postulierte:
„Ich betrachte Bewusstsein als grundlegend. Ich betrachte Materie als Ableitung von Bewusstsein. Wir können nicht hinter das Bewusstsein kommen. Alles, worüber wir sprechen, alles, was wir als existierend betrachten, postuliert Bewusstsein.“
Max Planck
Die spirituellen Meister und die Quantenphysiker sind sich einig, dass wir und alles um uns herum Energie sind, oder dass wir zu 99,999999999 % masseleerer Raum sind. Das bedeutet, dass wir Materie und Nichts zugleich sind.
Dies klingt wie ein Paradoxon, stellt aber den aktuellen Stand der Wissenschaft dar. Dieser masseleere Raum, der wir angeblich sind, also das Nichts, liegt außerhalb der Vorstellungskraft. Unerklärlich und unheimlich zur gleichen Zeit.
Wir werden gewahr, dass es nichts gibt, was kein Bewusstsein wäre, dass auch wir reines Bewusstsein sind. Wir sind also an der Stelle der wahrscheinlich unendlichen Spirale, an dem Verstehen, an der Erkenntnis angelangt, dass wir scheinbar Alles und Nichts zugleich sind. Alles und Nichts sind offenbar zwei Seiten der gleichen Medaille. Im Kern unserer Essenz wartet die Erkenntnis, dass es nichts in der Existenz gibt, das wir nicht wären.
In diesem Bereich der Existenz brauchen wir gewissermaßen noch irgendeine Identität, eine Benennung dessen, was wir vermeintlich wären. Denn wir müssen in dem jetzigen Stadium unserer Entwicklung an irgendetwas glauben. Wir können uns das Nichts oder das Alles nicht ersinnen. Dementsprechend nehmen wir in den Spiegeln unserer Außenwelt immer wieder Bezugspunkte wahr, die wir augenscheinlich nicht zu sein scheinen, weil wir diesen Schutz, diese Limitierung als Strategie des Voranschreitens im Erfahren benötigen und nutzen.
Wir sind immer die Person, die wir glauben zu sein. Diese angenommene Identität bestimmt solange das, was wir erleben, bis wir den Glauben über uns verändern. Im Endeffekt gibt es kein Außen, da wir jeweils die eigene Welt und das eigene Universum sind. Aber das ist in derselben Weise eine Limitierung. Der vermeintlich physische Körper würde wahrscheinlich buchstäblich zerspringen , wenn sich die Menschen in diesem Entwicklungsstadium ohne Glaubenssatz, ohne Idee von sich erleben könnten.
Wir schirmen uns letztendlich anhand dieser Identitäten und Begrenzungen vor der unbegreiflichen eigenen Unendlichkeit und Grenzenlosigkeit ab. Ohne die von uns selbst erschaffenen imaginären Grenzen könnten wir keine individuellen Erfahrungen machen. Wir wären einfach Alles und Nichts und es gäbe somit auch keine Bezugspunkte mehr, anhand derer wir uns definieren könnten. Um die Erfahrung eines Individuums zu durchleben sind wir unweigerlich auf illusorische, irgendwann zerrinnende Grenzen angewiesen.
Daher ist jede Antwort auf die Kernfrage, wer wir sind, in unserem temporären Stadium absolut wahr, überlebensnotwendig und unumgänglich. Alles was wir tun, tun wir immer zu 100 Prozent aus unseren Überzeugungen heraus. Es gibt letzten Endes kein Bereuen und auch kein positiv oder negativ. All das, was wir tun, ist zu jedem Zeitpunkt unsere eigene Entscheidung. Wir treffen diese auf der Grundlage dessen, was wir gegenwärtig glauben, wer wir sind. Somit gibt es ebenso keine falschen oder richtigen Handlungen oder Entscheidungen. Es gibt nur Handlungen und Entscheidungen an sich. Diese sind ein Statement, eine Aussage, wer wir gerade sind.
Diese Statements können für das, was wir erreichen wollen, für das was wir eigentlich sein wollen, dienlich oder nicht dienlich sein. Aber das Sein an sich ist neutral. Wir bewerten uns, Personen, Handlungen, Geschehnisse als gut oder schlecht. Aber das sind unsere Labels, unsere gewählten Benennungen. Das Sein IST einfach. Genauso wie wir. Denn wir sind das Sein.
Erkennen wir dies, bleibt eben nichts Anderes mehr als zu sein. Der Verstand wird jetzt vielleicht sagen: „Das ist aber langweilig!“ Wenn es aber den Menschen wirklich allmählich gelingt, sich in dem inneren Kern ihrer Essenz aufzuhalten, in dem kleinen unkonditionierten Fokuspunkt, vermögen wir festzustellen, dass wir nicht ausschließlich unsere Gedanken und Gefühle sind.
Diese Erkenntnis ereilt die Erdenbürger, wenn sie es schaffen, eine Distanz zwischen sich und Ihren Gefühlen und Gedanken herzustellen. Erst durch diese sind wir in der Lage, unsere Gedanken und Gefühle zu beobachten. Um diesen notwendigen Abstand zu generieren bedarf es einer Machtumverteilung. Die Aufmerksamkeit darf vermehrt vom Kopf zum Herzen wandern. Von dort aus erleben wir, dass alles ganz genau „richtig“ ist, wie es jetzt gerade ist. Die vorerst längste Reise der Menschheit ist 30 cm lang.
Das heißt nicht, dass es keine neuen Ziele mehr gäbe. Aber zu diesen Zielen gelangt derjenige, der sich in dem Beobachtungspunkt aufhält, vollkommen in seinem ihm eigenen Tempo, im Flow, absolut ohne Widerstände oder Anstrengung. Dieser Mensch fließt dorthin, als ob es seine Bestimmung wäre, als ob er dorthin mit sanften Händen geführt werden würde. Im Flow gleiten wir mit uneingeschränkter Leichtigkeit zu den Zielen, nutzen die Hinweise im Innen und Außen, beobachten, dass neue Pforten im exakt benötigten Moment aufgehen.
Die Ziele, für die wir uns in den unendlichen Möglichkeiten des 360 Grad Weges, als Mittelpunkt der eigenen Realität, der eigenen Welt, entschieden haben zu erleben, das, was wir uns als erlebenswert gewünscht haben, dass was von uns als Erfahrung erdacht und erfühlt wurde, kommt immer mehr in der physikalischen Welt zum Erscheinen. Wenn wir aus dem Beobachtungspunkt heraus absolut fokussiert auf diese mögliche Zukunft sind, können wir erleben, dass die Gefühle, die wir diesbezüglich fühlen und die Gedanken, die wir in diese Richtung denken, beginnen, zu der Erfahrung selbst zu werden. Das reelle Erleben ist in diesem Augenblick nur die intensivere Fortführung der gedanklichen und emotionalen Imaginationen im sogenannten Außen.
In dem Moment erfahren wir uns als Kreateur. Wir sind so frei, dass wir alles schöpfen können, sobald wir wissen, dass es möglich ist. Aus dem Fokuspunkt zu scheinen bedeutet nichts anderes, als die höchste Version von sich zu kreieren. Es passiert alles im gegenwärtigen Moment. Es gibt nur das Jetzt. Wenn wir im bedingungslosen Einklang mit uns, ohne Widerstände, allumfassend im Fluss, möglichst ohne Verhaftung in Vergangenheit oder Zukunft sind, leben und erleben wir das Leben unserer Träume, sind bewusst Traum und Träumer zugleich. Dann sind wir die Schöpfung erschaffende und erfahrende Schöpfer.
…und das Leben ist ein Geschenk.
Sepideh und Dr. Sven Körbel